5. Chancen des Friedens 5.1. Was wurde versäumt? Wichtige Chancen einer gewaltfreien Konfliktlösung wurden übersehen:
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5.2. "Ethnische" Konflikte? Insgesamt sinkt die Zahl zwischenstaatlicher Kriege - dafür wächst jene der innerstaatlichen. Die Kennzeichen der neuen Konfliktform als "ethnische" birgt in sich das Problem, daß es das dem Begriff "Rassenkonflikt" inhärente Weltbild absobierte (Lentze). Konflikte werden dann als "natürliche" Kämpfe von durch gemeinsame Abstammung definierten und kulturell inkompatiblen Gruppen interpretiert. |
= Kennzeichen des Zerfalls der bürgerlichen Nationalstaatlichkeit? ... |
Dies stimmt erstens sachlich nicht (siehe die Zuordnung sozialer Differenzen zu "Ethnien" durch die europäischen Kolonialisatoren) und ist zweitens ein verhängnisvoll fehlleitendes Denkmuster. Es ist deshalb wichtig, die Ethnizität als soziales Phänomen zu verstehen (Ethnizität als potentiell rassistisches Wahrnehmungsmuster) und die Aufgabe besteht in ihrer Entmystifizierung (Lentze). |
"Bei einer Volkszählung 1936 erklärte die Belgische Verwaltung jeden zum Tutsi, der mehr als zehn Rinder besaß." (Woche, v. 2.8.1996) |
5.3. Instrumente der zivilen Konfliktbearbeitung Als nichtmilitärische Handlungsalternativen nennt der Bund für soziale Verteidigung:
Weitere Instrumente der zivilen Konfliktbearbeitung werden häufig genannt:
Zur konstruktiven Bearbeitung ethnopolitischer Konflikte wurden u.a. folgende Strategien entwickelt (Ropers): |
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Staatenwelt |
Gesellschaftswelt |
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Mikro -Ebene
(prozeß-bezogen) |
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Makro-Ebene
(struktur-bezogen) |
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Der international bekannte Friedensforscher Johan Galtung betonte 1995, daß es in Jugoslawien, wie überall darauf ankomme, "das Legitime in den Zielsetzungen aller Konfliktparteien zu erkennen und in der Lösungsfindung zu berücksichtigen". Außerdem sieht er das Prinzip der Nationalstaaten prinzipiell als eine Gefahr für Stabilität an. Besser wäre eine Orientierung an einem nichtterritorialen Föderalismus. Praktisch schlägt er den Einsatz von Friedensbrigaden vor, die in den Kriegsgebieten mit den Menschen tagtäglich mindestens 1000 Friedenskonferenzen in den Städten und Dörfern durchführen, die dann miteinander vernetzt werden.
Lösungsansätze "von unten" durch Mediation durch zivile Kräfte haben bereits kleine Erfolge: Es wurde ein Abkommen vereinbart zwischen Serben und Kosov@albanern über die Rückkehr albanischer StudentInnen an die Universitäten. Eine Rückgabe des 1994 von serbischer Seite geschlossenen Institutes für Albanalogie in Pristina wurde vermittelt durch die kleine italienische Basisgemeinde "Sant Egidio". Denkbar wären auch
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"Für die Vision eines gewaltfreien Zusammenlebens aller Menschen" |
5.4. Zivilisierung der Außenpolitik Aus der Erkenntnis heraus, daß eine dauerhafte Weltfriedensordnung nicht militärisch erzwungen werden kann, faßte BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 1990 den Beschluß, sich für aktive Friedens- und Menschenrechtspolitik einzusetzen.
Zentral für die weitere Außenpolitik sollte
Auch für die UNO gab es Vorschläge zu ihrer
Zusätzlich dazu sollen
Viele weitere Konsequenzen für die Entwicklung einer internationalen Friedensordnung wurden beschlossen. |
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Es offenbart also im günstigsten Fall Unkenntnis, im schlechteren Ignoranz und Dummheit, keine Alternative außer militärischen mehr kennen zu wollen. |
Mutige Versuche durch internationale Friedensgruppen, sich in Bosnien zwischen die Fronten oder zwischen das Militär und seine zivilen Ziele zu stellen, erwiesen sich als ineffektiv. Erfolgreicher waren da schon Gruppen wie das Balkan Peace Team in Kroatien, das sich langfristig und in enger Zusammenarbeit mit lokalen Friedensgruppen in der Region engagiert." (Randle) |
® "Letzlich sind es solche einheimischen Organisationen, die den Schlüssel zu effektiver gewaltfreier Aktion in der Hand haben." |
Kosovo ist ein Lehrbeispiel für den Versuch, gewaltfreien Widerstand zu leisten. "Doch während ein Krieg vermieden werden konnte, wurde auch kein politischer Erfolg errungen, vor allem weil die serbischen Behörden nicht besonders auf die Kooperation der lokalen Einwohner angewiesen sind und weil die internationale Gemeinschaft es versäumt hat, die Frage aufzugreifen und Druck auf Milosevic auszuüben, die Autonomie des Kosovo wiederherzustellen." (Randle) |
® "Ihr Erfolg ist wahrscheinlicher, wenn der Gegner letztlich auf die Kooperation derjenigen, die Widerstand leisten, angewiesen ist und wenn andere Faktoren ihn daran hindern, extreme Gewalt anzuwenden." |
"Ich denke, daß wir gewaltfreie Aktion nicht isoliert von Initiativen auf diplomatischer, politischer und manchmal auch bedauerlicherweise der militärischen Ebene sehen sollten. Wir müssen auch anerkennen, daß in manchen Fällen Konfliktlösung und Mediation eine Rolle spielen sollten." (Randle) |
Allein die Betrachtung der Versäumnisse in der Kosovo-Krise (Punkt 5.1.) zeigt eine gewisse Gesetzmäßigkeit: Es wurden genau jene Dinge versäumt, die vielleicht doch noch zu nichtmilitärischen Konfliktlösungen geführt hätten, so daß genau jene Situation erzeugt wurde, in der jetzt so getan wird, als gäbe es keine Alternativen. Von der Friedensbewegung wird jetzt die Antwort darauf verlangt, was man denn außer Bomben tun könnte... Ihre Antwort muß und kann bei dem Versäumten ansetzen, muß aber weitergehen: Die sich hinter den Versäumnissen verbergenden tieferliegenden Interessen müssen aufgedeckt und ggf. beeinflußt werden. |
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Die Scheu vor dem Bodenkrieg zeigt eine gewisse Rücksichtnahme gegenüber der öffentlichen Meinung. Auch die Bemühungen der medialen Inszenierung der moralischen Empörung zeigen an, daß ohne die öffentliche Meinung der Krieg nicht so möglich wäre. Also gibt es hier auch einen Raum zur Einwirkung mit anderen Inhalten - was allerdings schwerer ist, da die eingängigen Manipulationsmethoden von uns abgelehnt werden.
Zumindest werden Parlamentarier auf Dauer lächerlich gemacht, wenn sie jammern, bspw. den Vertrag von Rambouillet nicht rechtzeitig bekommen zu haben, während fast jeder Laie ihn aus dem Internet kennt. Insofern können sie unter Druck gesetzt, ihre Entscheidungen hinterfragt werden. Die Erfahrung einer Dynamik "von unten" kann sich für alle Beteiligten auch längerfristig positiv auf die politische Kultur auswirken. Wir gewinnen die Erkenntnis: Überlebenswichtige Politik kann nicht den Politikern überlassen werden!!!
Problematisch und symptomatisch ist, daß die Kriegsmeldungen in den Nachrichten zur Selbstverständlichkeit werden, viele Menschen ihn im Alltag völlig ignorieren. Genau deshalb haben alle öffentlichen Aktionen eine immens wichtige Funktion der Bindung von Aufmerksamkeit.
Wichtig wäre eine Vernetzung der Aktivitäten im Bereich Aktionen anläßlich Weltwirtschaftsgipfel/ Soziale und ökologische Bewegungen.
"Der Antikriegstag (am 1.9.) ist auch ein möglicher erster Höhepunkt für die notwendige in die Nachkriegszeit hineinreichende Kampagne, die wir jetzt entwickeln und beginnen müssen. Die Kampagne sollte - evtl. unter der Aufgabenstellung "Den nächsten Krieg verhindern!" massiv die Mittel Ziviler Konfliktbearbeitung incl. der Stärkung von UN und OSZE wie zivile Hilfe für die Balkanregion einfordern - also die Alternativen zum Krieg sichtbar machen - und Protest gegen die neue NATO-Strategie wie die europäische Aufrüstung für Interventionsfähigkeiten organisieren." (Stenner)
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Die Orientierungsuche, die notwendige Bewältigung der Traumata gelingt nur mit einer gleichzeitigen Entwicklung neuer Hoffnungen und Zukunftsvisionen.
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Siehe: Bericht einer Zukunftswerkstatt mit Kosovo-Albanern in München (http://tel.de/08972308046/shqipon7.htm) |
Um aus der Defensive und dem Re-Agieren herauszukommen, ist es jetzt schon notwendig, darauf zu achten, daß unsere Aktivitäten nach einem hoffentlich baldigen Ende der kriegerischen Auseinandersetzungen nicht in sich zusammenfallen bis zum nächsten Krieg. Es ist wichtig, jetzt schon die "Diskussionen der Nachkriegszeit vorzubereiten" (Stenner). |
(Stenner) |
5.7. Zukunftsvisionen 5.7.1. Integration in "normale" kapitalistische Entwicklung "Die Staaten auf dem Balkan haben mittel- bis langfristig keine andere Möglichkeit als die ökonomische Reintegration. Die historisch gewachsenen Handelsverbindungen werden wieder aufgenommen werden müssen, um eine okönomische Gesundung des Gebietes zu erreichen, die über die Wiederaufbauhilfen der internationalen Gemeinschaft hinausgeht. Vielleicht kann die westeuropäische Integration als Modell dafür dienen. (Ehrhart, Karádi) |
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5.7.2. Veränderungstendenzen Angesichts der neuen Situation in der Weltwirtschaft und -politik wird auch der "Normalzustand" (A) sich ändern. Hier stehen alternativ und gegensätzlich Optionen auf die Durchsetzung eines neuen Faustrechts des Stärkeren (B) und die Entwicklung einer "Weltbürgergesellschaft"(C) (Habermas) gegenüber.
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5.7.3. "Überschießende" Effekte: neue Lebens- und Wirtschaftswesen entwickeln
Noch 1996 wußten BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: "Die Alternative und der Ansatzpunkt jeder modernen Sicherheitspolitik ist die Schaffung einer ökologisch-solidarischen Welt und die Verwirklichung einer nachhaltigen Entwicklung in allen Regionen." Nachdem auf schreckliche Weise die Hoffnungen zerschlagen sind, nach dem Ende des Realsozialismus eine friedliche kapitalistische "Normalität" zu erhalten, wird die Frage nach den Grundlagen eines "gerechten Friedens" wieder neu gestellt werden.
Auch unmittelbar haben die Prozesse die Potenz in sich, über das "normale" Maß kapitalistischer Nationalstaats- und Parteiendemokratiebildung hinauszuschießen, wenn die Demokratisierung tatsächlich in Angriff genommen wird. |
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" Die Perspektive besteht im Beginn einer Balkan-Kooperation, die als sicher sehr langfristiges Ziel eine Verbindung mit der EU ermöglicht. Daran können sich alle Staaten und Völker beteiligen, die kooperationsbereit sind und auf gewaltsamen Konfliktaustrag verzichten. Hierüber ist mit den Gesellschaften, also den BürgerInnen in Serbien, Montenegro, in Kosova und den anderen Balkanstaaten ein offener und öffentlicher Dialog in den vielfältigsten Formen so zu entwickeln, daß er nicht von den Herrschenden unterbunden werden kann." (Kursivsetzung v. A.S.) Dies gilt dann für eventuelle neue strukturelle Gewaltherrschaften (wie die des Kapitals) ebenso...
Da die Lösungsansätze für die verworrene Lage große Anstrengungen verlangen, könnten dabei prinzipiell neue Methoden gefunden und erprobt werden. Im Zusammenhang mit einer vorgeschlagenen "Wahrheitskommission Kosovo" meint Taureck:
"Dieser Krieg könnte immerhin ein neues Muster der Utopie zur Folge haben"
Denn "Pazifismus braucht ein "Ziel, das über das zu oft gehörte "Nie wieder Krieg!" hinausweist und eine realistische Persepktive für einen poilitischen Zustand bietet, in dem die Völker friedlich miteinander leben." (Tönnies)
Dafür gibt es schließlich auch historisch neue Möglichkeiten: "Armutskriege, nationale Abschottung und Flüchtlingselend sind ahistorisch, weil der Reichtum doch vorhanden ist ... Die gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten 30 Jahre im Westen, die neuen sozialen Bewegungen, Bürgerinitiativen, Basisgruppen, Regionalisierung und Logialisierung weisen in eine Richtung von Selbstorganisation der modernen Individualisten, zu Freiwilligkeit, Partizipation, Mitgestaltung und Bürgerbeteiligung statt Institutionalisierung und Zentralisierung. Dieser Prozeß muß weitergehen, und an die Stelle der verlorenen sozialen Stabilität von Familie und Nachbarschaft wird eine sinnstiftende, zivilisationsstabilisierende offene Gesellschaft treten, die zu ihrer Verwirklichung über den gesellschaftlichen Reichtum verfügen muß." (Cropp) |
Stellungnahme zum aktuellen Kosovo-Konflikt aus dem Bereich von Friedensforschung und Friedensbewegung, Nur eine zivile Politik mit Perspektive kann den Frieden im Kosovo langfristig sichern, 18.10.1998
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"Die Lanzen werden erst sicher zu Pflugscharen, sobald der Boden, (Ernst Bloch) |
Petar Petrovic Njegos, Dichter und Fürstbischof von Montenegro schrieb bereits 1850: "Europa wird erst dann friedlich und frei sein, wenn es sich auf kleine Kantone aufteilt, so daß ein jeder zwei oder drei Millionen Einwohner hat, sie aber alle miteinander einen Bund bilden und die stehenden Heere aufgelöst werden... Die Menschheit kann nicht ruhig und glücklich sein, solange sie auf Staaten aufgeteilt lebt, deren Hauptziel sie selbst, die Religion, das Volkstum und die Dynastien sind." (zit. in Ivanji, S. 203f.)
Wir erwähnten bereits oben die naheliegende Alternative, die Dinge den Politiker aus der Hand und wieder selbst in die Hand zu nehmen!!!
Links
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"Das Erschreckende der Weltmachtpolitik ist, daß die PolitikerInnen tatsächlich ein so fürchterliches Chaos auf der Welt anrichten! Jede, aber wirklich jede Form von Anarchie wäre weniger chaotisch!" (Harold the Barrel) |
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Weiter zu:
1. Geschichtliche Hintergründe (Kosovo)
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Erst mal wieder |